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Unterrichtsfächer

Leseförderung: „Lesen lernt man nur durch Lesen”

„Lesen lernt man nur durch Lesen.” Diese programmatische Aussage von Kollegen der Steinwaldschule, einer hessischen Modellschule, hat seit dem Schuljahr 2006/07 auch für Schüler der Adolf-Reichwein-Schule Bedeutung. Denn mit gezielten Maß­nahmen versuchten in diesem Schuljahr die Deutschlehrer der ARS, die Lesekom­petenz ihrer Schüler durch neue Methoden in einem speziell ausgerichteten Lese­unterricht verstärkt zu fördern.

Jahrgangsstufe 5: Schüler mit Leseurkunden

Davon betroffen waren zunächst die jüngsten Schüler aus der Jahrgangsstufe 5. Für sie wurde der Deutschunterricht von fünf auf sechs Stunden die Woche erhöht. In zwei dieser Stunden wurden die Schüler speziell im Lesen gefördert, und zwar in nach Leistung differenzierten Kursen. Dementsprechend fanden sich die Schüler wenige Wochen nach Schuljah­resbeginn in den Leseunterrichts-Kursen der "Lese­füchse" (schwächere Leser), "Leselöwen" (durchschnittliche Leser) und "Leseratten" (starke Leser) ein. Dort wurden sie gemäß ihrer individuellen Lesefertigkeiten von den Deutschlehrern der Jahrgangsstufe unterrichtet.

Auch für die leseschwachen Schüler aus der Jahrgangsstufe 7 wurde ein zusätzli­ches Ange­bot geschaffen. Sie konnten im Wahlpflichtunterricht den dreistündigen Leseunterricht wäh­len. In diesen Kursen wurden sie mit recht ähnlichen Methoden im Lesen geschult.

Die Erweiterung der Lesekompetenz war zudem Bestandteil der Methodenschulung im zwei­stündigen Wahlpflichtunterricht der Jahrgangsstufen 9 und 10: Methoden der Erschließung linearer und nichtlinearer Texte gehören in diesen Kursen zum in­tegralen Bestandteil des Schulcurriculums.

Hintergrund des Leseunterrichts

Die zunehmende Bedeutung der Lesekompetenz (d. h. der Fähigkeit Texte zu ver­stehen) ergab sich nicht zuletzt durch die Ergebnisse der PISA-Studien. Sie zeigen, dass deutsche Schüler im internationalen Vergleich über allenfalls durchschnittliche Lesekompetenzen verfüg­en. Außerdem wurde deutlich, dass zwischen Schulerfolg und Lesekompetenz ein unmittelbarer Zusammenhang besteht.

Dementsprechend sahen sich das Hessische Kultusministerium und die Schulämter veran­lasst, gemeinsam mit den Schulen Strategische Ziele zu vereinbaren. Mit Be­zug auf die Le­sekompetenz formulierte das Hessische Kultusministerium das Stra­tegische Ziel 2: "Verringerung der so genannten Risikoschüler um ein Drittel. Verbes­serung der Lesekompetenz bei Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe I."

Alle Schulen mit Sekundarstufe I des Hochtaunus- und Wetteraukreises waren dem­entspre­chend gefordert, auf ihre Schule speziell ausgerichtete Konzepte zur Lese­förderung zu ent­wickeln.

Entwicklung eines Konzepts zur Leseförderung an der ARS

Vor allem die Deutschlehrer an der ARS sahen es als ihre Aufgabe an, dieses Stra­tegische Ziel 2 an ihrer Schule umzusetzen. Immerhin ist die Vermittlung von Lese­kompetenz von jeher ein wesentliches Lernziel des Deutschunterrichts. Dass deut­sche Schüler nach den PISA-Vergleichsstudien in diesem Bereich deutliche Schwä­chen zeigen, wurde und wird von den Pädagogen als Herausforderung angesehen.

Besonders in dieser Phase der Entwicklung eines Konzepts zur Leseförderung an der ARS erhielten die Deutschkollegen Unterstützung vonseiten des Schulamtes (SSA). Die Fachbe­rater des SSA führten Fortbildungsveranstaltungen durch, die exemplarisch bewährte Modelle der Leseförderung vorstellten.

Ein Glücksfall für die ARS war es in dieser Phase der Entwicklung, dass einer der Fachbe­rater des SSA Deutschlehrer an der ARS ist. Er gab für die Entwicklung des Leseförderkonzepts die wesentlichen Impulse. Im Ergebnis sollten Metho­den und Lesestrategien, wie sie das hessische Amt für Lehrerfortbildung (AfL) auf Grundlage eines in Amerika entwickelten Konzepts empfiehlt, ebenso aufgegriffen werden wie die moti­vierende didaktische Struktur und Organisationsform der Steinwaldschule. An dieser hessischen Modellschule konnte mit der Verteilung der Schüler auf unter­schiedliche Kursniveaus im Leseunterricht - den Lesefüchsen, Leselöwen und Lese­ratten - und mit einer gezielten Auswahl von "Lese­stoff" für die unterschiedlichen Leistungsniveaus überzeugende Leistungssteigerungen der Lesekompetenz erreicht werden.

 

Didaktische Struktur der Leseförderung an der ARS

Für die Umsetzung eines Leseförderkonzepts an der ARS ergaben sich somit klare Vorga­ben, sodass die Grundsäulen für die Didaktik des Leseunterrichts recht schnell geklärt wa­ren:

  • Differenzierung des Lern- und Lesestoffs sowie der Kursniveaus
  • eigenverantwortliches Arbeiten zur Individualisierung des Lesens
  • Motivation durch Leseurkunden
  • Stärkung der Schülerpersönlichkeit durch Selbsteinschätzung des Lernfortschritts

Dementsprechend wurde der Leseunterricht in den Jahrgangsstufen 5 und 7 gestal­tet. In den sogenannten Methodenstunden widmeten sich die Lehrkräfte vor allem der Schulung von klas­sischen wie moderneren Formen der Texterschließung ent­sprechend den unterschiedlichen Lernvoraussetzungen ihrer Schüler. Beispielsweise sollten die Schüler durch geeignete Me­thoden veranlasst werden, den oftmals nur "mechanischen" Lesevorgang durch Vorwegnahme und Zusammen­fassung des Ge­lesenen aufzugeben und damit den Text sinnerfassend zu lesen. Mit dieser Methode des reziproken Lesens sollte das verstehende Lesen gefördert werden.

Auch das Konzept der Steinwaldschule wurde aufgegriffen. Da Lesen vor allem durch Lesen gelernt wird, sollten Anreize geschaffen werden, damit Schüler sowohl in als auch außerhalb des Unterrichts lesen. Im Unterricht wurden eigens nach Le­sefähigkeiten ausgewählte Lektü­ren in der Lesestunde behandelt oder auch still ge­lesen, um anschließend die Lektüre an­hand von Kontrollbögen nachzuweisen.

Aber auch außerhalb des Unterrichts wurde gelesen. Hier war es vor allem die Ver­gabe von "Bronzenen" (nach 5 Bücher), "Silbernen" (nach 10 Büchern) und "Golde­nen Lesediplo­men" (nach 15 Büchern), die einen zusätzlichen Anreiz vor allem für die jüngeren Schüler der Jahrgangsstufe 5 boten. Wie sehr derartige positive Anreize einige Schüler zu motivieren vermochten, überraschte die Deutschkollegen in diesem Schuljahr. Mittlerweile konnte das erste "Sternstaubene Lesediplom" (nach 30 Bü­chern) vergeben werden.

Motivation durch Leseurkunden

 

Eingebunden wurden Elemente, die zur Leseförderung bereits vorhanden waren, etwa die Schulbibliothek, die von den Schülern im Leseförderunterricht als "Lese­stofflieferant" genutzt wurde, oder die Leseförderung des Fachbereichs Deutsch durch Leseanimation. Nahezu in jedem Jahrgang fanden in den letzten Jahren Ver­anstaltungen statt, die gezielt der Lesemo­tivation dienen, etwa Autorenlesungen, der Vorlesewettbewerb in Jahrgangsstufe 6 oder die spielerische Einführung der Schüler in die Nutzung der Schulbibliothek in Jahrgangsstufe 5.

Lernstandsmessung

Schon in der Planungsphase des Leseunterrichts stand für die Deutschkollegen fest, dass zur Feststellung des Bedarfs an individueller Förderung im Lesen neben der Leistungsbe­wertung und der Beobachtung im Unterricht auch andere Formen der Lernstandsmessung gewählt werden müssten. Zugleich sollte auf diese Weise ein Überblick über die Leistungsfähigkeit der Schüler eines Jahrgangs in Bezug auf das Lesen ermittelt werden.

Die ARS folgte auch hier der Empfehlung der Fachberater und führte einen standar­disierten Lesetest durch, nach dem Schüler entsprechend ihrer Lesekompetenz auf fünf Lesestufen (schwache, unterdurchschnittliche, durchschnittliche, überdurch­schnittliche und ausgezeich­nete Leser) verteilt werden konnten. In Jahrgangstufe 7 sollten dadurch die besonders zu fördernden leseschwachen Schüler ermittelt wer­den, in Jahrgangsstufe 5 diente das Text­verfahren dazu, den Deutschlehrern die Verteilung ihrer Schüler auf die Kursniveaus (Lese­füchse, Leselöwen und Leserat­ten) zu erleichtern.

Das kosten- wie zeitaufwendige Verfahren brachte klare Ergebnisse zutage. Der Le­sediagnosetest (Diagramm 1) zeigte, dass in der Jahrgangsstufe 6 des Schuljahres 2005/06 rund 17% aller Schüler (schwache bzw. unterdurchschnittliche Leser) zu­sätzliche Förderung im Lesen benötigten. In nahezu allen Fällen konnten die Deutschkollegen der be­troffenen Schüler das Ergebnis durch eigene Unterrichtsbeo­bachtungen stützen. Dement­sprechend wurde den leseschwächern Schülern empfohlen, im Schuljahr 2006/07 den WPU-Leseunterricht in Jahrgangsstufe 7 zu besuchen.

Zur Einteilung der Schüler in Jahrgangsstufe 5 (Diagramm 2) wurde dasselbe Mess­verfahren zu Beginn des Schuljahres 2006/07 verwendet. Auch hier zeigte sich eine im Ergebnis ähnli­che Verteilung der Schüler auf die Lesekompetenzstufen.

Ein weiteres Ergebnis war für die Deutschkollegen entscheidend: Im Ergebnis zeig­ten die Schüler der ARS dieselben Stärken und Schwächen in der Lesekompetenz wie Schüler des dreigliedrigen Schulsystems. Das Leseförderkonzept erweist sich auch deshalb als sinnvoll.

Unterstützung und Rückmeldungen

Für die Durchführung des Leseförderkonzepts war in diesem Jahr vor allem finanzielle Un­terstützung notwendig. Der Förderverein der ARS erklärte sich dankenswerterweise bereit, einen ersten Grundstock geeigneter Lektüre für den Leseförderunterricht zur Verfügung zu stellen. 1500 Euro flossen somit unmittelbar in die Entwicklung des Leseförderkonzepts, denn nur geeignete Lektüren erlauben eine gezielte Leseförderung auf unterschiedlichen Kursniveaus.

Die beteiligten Deutschlehrer sahen den Leseunterricht von vornherein als eine Herausforde­rung an. Zusätzliche Anstrengungen im organisatorischen wie didaktischen Bereich mussten bewältigt werden; Fortbildungen wurden besucht, neue Unterrichtsmaterialien erstellt, Urkun­den verteilt und - vor allem - Bücher ausgegeben, eingesammelt, getauscht, erneut verteilt usw. Die erste Probephase ist für die Kollegen so erfolgreich verlaufen, dass das Lese­för­derkonzept in Zukunft an der ARS weiter ausgebaut werden soll.

Rückmeldung gab es mittlerweile auch vom Staatlichen Schulamt. Auf einer Dienst­ver­sammlung aller Schulleiter der Sekun­darschulen wurde das Leseförderkonzept der ARS als besonders gelungenes Modell der Leseförderung ausführlich vorgestellt.

Und auch von Seiten der Schüler und Eltern gab es Rückmeldungen, dass das Leseförder­konzept zu einem verbesserten Leseverhalten der Schüler führt und nicht selten auch Lese­freude vermittelt.